Luxembourg / Luxemburg (DE)

Die Gründung von unabhängigen, sogenannten “digital native” (von Beginn an un primär digital ausgerichteten” Medien in einem kleinen Land mit wenig Pluralismus wie Luxemburg ist nicht einfach, doch neue staatliche Fördermittel, die eigens für digitale Medienunternehmen bestimmt sind, könnten deren Zahl und Tragfähigkeit erhöhen. Die neuen Medienunternehmen konnten sogar bereits alternative Geschäftsmodelle entwickeln, die ein Nischenpublikum ansprechen, die Unabhängigkeit der Medien fördern und den Medienpluralismus in Luxemburg geringfügig erhöhen.

ALLGEMEINE INFORMATIONEN

Medienorganisationen im Verzeichnis
4
Organisationsformen
  • Gewinnorientiert : 66.7%
  • Gemeinnützig: 33,3 %
  • Gemischt: 0,0 %
  • Noch nicht gegründet/ eingetragen: 0,0 %
Geschlecht der Gründenden
  • Männlich: 75,0 %
  • Weiblich: 25,0 %
Reichweite der Berichterstattung
  • Hyperlokal: 0
  • International : 2
  • Lokal : 0
  • National : 2
  • Regional : 0

Angesichts des von vielen als „Mediensterben“ bezeichneten Phänomens, das durch die Pandemie, wirtschaftliche Instabilität, Desinformation und Krieg ausgelöst wurde, ist eine wachsende Zahl neuer, unabhängiger Nachrichtenmedien entstanden.

Während die klassischen Nachrichtenmedien in den letzten zehn Jahren kontinuierlich Personal abgebaut haben, erleben sogenannte “digital native” (von Beginn an und primär digital ausgerichtete) Medien in ganz Europa einen Aufschwung. Sie füllen Nachrichtenwüsten, sprechen desillusionierte Publikumsgruppen an und sind Pioniere bei der Verbreitung essentieller Informationen.

Ungeachtet der politischen, wirtschaftlichen und sprachlichen Unterschiede, die in den mehr als 40 Ländern, in denen wir diese Studie durchgeführt haben, herrschen, teilen die 540 im Verzeichnis von Project Oasis aufgeführten unabhängigen, “digital native” Medien viele Herausforderungen und Chancen.

Unsere wichtigsten Erkenntnisse:

  • Unabhängige, “digital native” Medien nutzen Social Media, um ein jüngeres Publikum anzusprechen, senden aktuelle News-Updates über Telegram, um Zensur zu umgehen, und bilden Bürgerjournalist*innen aus, um auch unzureichend versorgte Zielgruppen zu erreichen.
  • Über 85% gaben an, dass gesellschaftliche Themen und Menschenrechtsfragen zu den Kernbereichen ihrer Berichterstattung gehören, insbesondere auch Themen im Zusammenhang mit Migration, Geflüchteten, Genderfragen und Feminismus.
  • Mehr als 50% stellen Ressourcen für investigativen Journalismus bereit, und viele bilden Partnerschaften für grenzüberschreitende Berichterstattung.
  • Über 58% der in diesem Bericht vorgestellten Mediengründer*innen sind Frauen. Sie zeichnen sich durch ein hohes Maß an Zusammenarbeit aus, und die meisten von ihnen haben mindestens zwei Mitgründende.
  • Medien, die von Teams gegründet wurden, denen sowohl Männer als auch Frauen angehören, erzielen mit durchschnittlich 509.740 € pro Jahr die höchsten Umsätze.
  • Medien, die in die Geschäftsentwicklung investieren, bauen langfristig stabilere Unternehmen auf. Medienunternehmen, die mindestens eine Person haben die sich um die Umsatzgenerierung kümmert, melden einen sechsfach höheren durchschnittlichen Jahresumsatz,  als denjenigen, die keine Mitarbeitenden in dieser Funktion haben (598.539 € im Vergleich zu 95.629 €).
  • Bei mehr als der Hälfte der Medien aus dieser Studie handelt es sich um gemeinnützige Organisationen, und viele der gewinnorientierten Medien investieren mehr in die journalistische Produktion als in die Erwirtschaftung von Gewinnen.
  • Bei den gemeinnützigen Medien sind Fördermittel, Einzelspenden und Mitgliedschaften – in dieser Reihenfolge – die wichtigsten Einnahmequellen. Bei den gewinnorientierten Unternehmen stellen Werbung, Website-Abonnements und Fördermittel die größten Einnahmequellen dar.
  • Ein breites Spektrum von Einnahmequellen ist wichtig, wobei jedoch zu viele Einkommensquellen nicht mit größerem Erfolg korrelieren. Optimal für Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit scheint die Erschließung von zwei bis sechs Einnahmequellen zu sein.
  • Die Bandbreite der unabhängigen, “digital native” Medien reicht von kleinen, ehrenamtlich geführten Start-ups, die sich für ihre Communities engagieren, bis hin zu höchst profitablen Multiplattform-Unternehmen, die Monat für Monat Millionen von Seitenaufrufen verzeichnen und jährlich mehrere Millionen Euro einnehmen.
  • Zwar sind einige der Medien aus dieser Studie bereits über 20 Jahre alt, jedoch wurde mehr als die Hälfte erst in den letzten zehn Jahren gegründet. Die meisten Medien in diesem Verzeichnis wurden 2016 gegründet.

Die langfristige Tragfähigkeit von unabhängigen, “digital native” Medien ist ein schwieriges Unterfangen, für das es kein einfaches Erfolgsrezept gibt. Allerdings beweisen viele der von uns befragten Medienschaffenden, dass es möglich ist, die notwendige Unterstützung zu finden, um ihren Communities zu dienen.

„Keine Oligarchen, keine Paywall. Nur Ihre Spenden und unsere Arbeit.“ So lautet der Slogan des 2009 gegründeten tschechischen Mediums Deník Referendum. Chefredakteur Jakub Patočka erläuterte uns seinen Ansatz: „Leser*innen, die [im Kommentarbereich] unter unseren Artikeln mitdiskutieren möchten, zahlen eine Gebühr. Dadurch erzielen wir bescheidene Einnahmen und es wird gleichzeitig eine Debatte angeregt.“

Mediengenossenschaften, die sich über die Beiträge ihrer Mitglieder finanzieren, stellen für einige der hier dargestellten Medien  ein attraktives Modell dar. In Großbritannien fungieren die Mitglieder der Genossenschaft The Bristol Cable auch als „demokratische Anteilseigner“, d. h. sie können an den Jahreshauptversammlungen teilnehmen, über redaktionelle Kampagnen abstimmen und bei den Wahlen für den nicht geschäftsführenden Vorstand kandidieren.

Die meisten der von uns erfassten Medien wurden von Journalist*innen ins Leben gerufen, die oftmals nur über begrenzte Ressourcen und unternehmerische Erfahrung verfügen. Dennoch gaben viele an, dass sie trotz dieser (und vieler anderer) Herausforderungen in den nächsten Jahren von Wachstum ausgehen.

Einige werden vor allem Leser*innen, die im Medienbereich tätig sind, bestens bekannt sein. Doch wir sind sicher, dass es unter den vielen inspirierenden Beispielen, die wir in ganz Europa gefunden haben, auch einige Überraschungen geben wird. Gleichwohl erheben wir nicht den Anspruch, dass diese erste Version von Project Oasis alle Medien abdeckt, die in ein solches europäisches Verzeichnis aufgenommen werden sollten.

Viele Ergebnisse dieser Studie decken sich mit unseren früheren Forschungsprojekten. Um den Gesamtkontext zu erweitern und Vergleichsmöglichkeiten aufzuzeigen, gehen wir im folgenden Bericht auf alle wichtigen Erkenntnisse näher ein.

Dieses Forschungsprojekt fußt auf der Methodik, die wir bei SembraMedia entwickelt haben, als wir 2015 begannen, in Lateinamerika, Spanien und den USA nach ähnlichen Medien zu suchen. Seit dem Start von Project Oasis im Jahr 2022 haben insgesamt mehr als 60 Personen an diesem Projekt mitgewirkt, darunter 34 Forschende mit lokaler Expertise, die Interviews in über 30 Sprachen vereinbart, durchgeführt und analysiert haben.

Wir möchten darauf hinweisen, dass dieser Bericht und das Medienverzeichnis keine abschließende, vollständige Liste aller unabhängigen, “digital native” Medien in Europa darstellen. Vielmehr hoffen wir, dass dies lediglich der erste Schritt eines fortlaufenden Forschungsprojekts ist, das wir kontinuierlich weiterentwickeln werden.

Die Innovationskraft, die Entschlossenheit, der Mut und der oft preisgekrönte Journalismus der Medienschaffenden, die sich in ihrem geschäftigen Arbeitsalltag großzügig Zeit für ein Gespräch mit unseren Forschenden nahmen, haben uns beeindruckt.

Wie wir aus früheren Studien gelernt haben, kann die Herausstellung von Medien im Verzeichnis von Project Oasis, ihren Verantwortlichen helfen Wissen auszutauschen, zusammenzuarbeiten und mehr Sichtbarkeit bei und Anerkennung von unterstützenden Organisationen zu erlangen, die sie zur Fortsetzung ihrer Arbeit benötigen und verdienen.

Pressefreiheit

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in der luxemburgischen Verfassung ausdrücklich verankert und wird durch nationales Recht geschützt, so der Bericht „Überwachung des Medienpluralismus im digitalen Zeitalter“ (MPM 2022) des Zentrums für Medienpluralismus und Medienfreiheit. Nach der COVID-Krise habe sich die Wahrung der Meinungsfreiheit im letzten Jahr verbessert: Journalist*innen hätten wieder uneingeschränkten Zugang zu institutionellen Informationen und Pressekonferenzen, da die Regierung ihre Pressekonferenzen (einschließlich der Fragen von Journalist*innen an Regierungsbeamte) erneut ausstrahlt. Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung sind selten, wenngleich es auch in Luxemburg Fälle von SLAPPs („Strategic Lawsuits against Public Participation“ – zu Deutsch: „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) gibt.

Marktstruktur und Marktbeherrschung

Die Medienkonzentration in Luxemburg – eine Begleiterscheinung der geringen Größe des luxemburgischen Marktes – stellt weiterhin ein großes Problem dar. Verschärft wird diese Problematik durch die Tatsache, dass Luxemburg einer der wenigen EU-Mitgliedstaaten ist, in dem keine nationalen Bestimmungen zur Begrenzung der horizontalen oder crossmedialen Konzentration bestehen, so der Bericht des Zentrums für Medienpluralismus und Medienfreiheit. Der luxemburgische Printsektor wird von den Verlagshäusern Editpress und Mediahuis beherrscht, während der audiovisuelle Markt von der RTL Group dominiert wird, heißt es weiter.

In Luxemburg gibt es keinerlei Rechtsvorschriften zur Regelung von Interessenkonflikten, und Medienunternehmen sind lediglich verpflichtet, die Identität von Eigentümer*innen mit Anteilen von 25% oder mehr offenzulegen. Die Printmedien stehen traditionell den politischen Parteien und Interessengruppen wie den Gewerkschaften nahe, sodass sich die Unabhängigkeit und Transparenz der Medien nur schwer beurteilen lassen. Trotz der Mehrsprachigkeit des Landes (drei Amtssprachen) werden Publikationen überwiegend auf Deutsch und seltener auf Französisch herausgegeben. Minderheiten und anderssprachige Gruppen sind in den öffentlichen und privaten Medien nach wie vor unterrepräsentiert.

Medienfinanzierung

Die luxemburgische Medienbranche ist in erster Linie von Werbung und staatlichen Finanzmitteln abhängig. Im Juli 2021 erließ die Regierung neue Vorschriften zur Förderung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen traditionellen und digitalen Medienunternehmen, um vollständig digital ausgerichteten Medien die gleichen Chancen auf Fördermittel zu bieten. Um den digitalen Wandel im Mediensektor voranzutreiben, passt die geltende Gesetzesregelung das Beihilfesystem an, wobei drei verschiedene Finanzierungsmodelle zur Förderung von Innovationen in Redaktionen sowie zur Unterstützung von Medien-Start-ups und Community-Medien vorgesehen sind.

Das Verzeichnis enthält vier Profile von unabhängigen, “digital native” Medien aus Luxemburg: drei Profile auf der Grundlage von Interviews und ein Profil basierend auf Sekundärforschung.

Die Gesamtzahl spiegelt die recht neuen Entwicklungen in der digitalen Medienlandschaft, aber auch die geringe Größe des Publikums im Land wider. Keines der dargestellten Medien ist vorrangig auf staatliche Fördermittel angewiesen, da diese bis 2018 für diese Form von Medien nicht zur Verfügung standen. Wer also neue Medienunternehmen gründen wollte, musste sich auf die Suche nach alternativen Geschäftsmodellen machen, um sich wirtschaftlich über Wasser halten zu können.

Dies ist jedoch nicht der einzige Grund. Das investigative Online-Magazin Reporter.lu hat sich auf diese Weise von der traditionellen Verknüpfung zwischen Mediensektor und politischen Kräften gelöst. „Wir haben es von Anfang an konsequent vermieden, uns auf Investierende oder Geldgebende zu stützen, denn wenn man in einem kleinen Land wie Luxemburg auf diese angewiesen ist, hat man immer das Problem, von bestimmten politisch oder unternehmerisch Akteuren abhängig zu sein“, erklärt Christoph Bumb, Mitbegründer von Reporter.lu. „Unabhängiger Journalismus ist auch in Luxemburg keine Selbstverständlichkeit“, fügt er hinzu. Im Jahr 2017 starteten die Initiator*innen eine Crowdfunding-Kampagne zur Gründung des Unternehmens. Heute werden über 70% der Einnahmen durch Abonnements erzielt, während der Rest aus neuen staatlichen Beihilfen für professionellen Journalismus stammt. 

Das vor über 10 Jahren als Blog gestartete Unternehmen Silicon Luxembourg hat sich mittlerweile zu einem bedeutenden alternativen Mediendienst entwickelt. Es hat die Chance genutzt, das Tech- und Start-up-Ökosystem des Landes zu präsentieren und mit englischsprachigen Inhalten ein internationales Publikum für diesen Nischensektor zu gewinnen. Die Finanzierung des Unternehmens erfolgt jedoch in erster Linie über die Einrichtung einer exklusiven Mitgliedschaft für Investierende und Geldgebende in Luxemburg, die durch ihre Beitragszahlungen die redaktionelle Arbeit des Teams ermöglichen. Artikel, Videos, Podcasts und Newsletter bleiben dabei frei zugänglich.

Für Minderheiten wie Portugies*innen (die 14,9% der luxemburgischen Gesamtbevölkerung stellen) wurden keine unabhängigen, “digital native” Medien verzeichnet, was darauf hinweist, dass diese Gruppen im Hinblick auf digitale Nachrichtenangebote noch immer unterversorgt sind.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Markt für Online-Medien in naher Zukunft weiterentwickeln wird, zumal den “digital native” Medien nun neue Finanzierungs- und Einnahmequellen für Gründung und Aufbau ihrer Initiativen zur Verfügung stehen. Man darf gespannt sein, ob weitere Medieninitiativen von dieser Gelegenheit Gebrauch machen werden, um vermehrt Sprachenvielfalt und unterrepräsentierte Themen und Gruppen darzustellen. Neue Rechtsvorschriften bezüglich der Transparenz der Eigentumsverhältnisse bei Print- und Online-Medien könnten den Medienpluralismus im Land erheblich verbessern.

Stand: Januar 2023